Der Bildungsschwerpunkt ist im Verbund der Jugendbildungsstätten Bayern einzigartig: An unserer JuBi am Schliersee steht die gewerkschaftliche Jugendbildungsarbeit im Mittelpunkt. Aber auch innerhalb der IG Metall hat das Haus durchaus eine besondere Stellung. Es ist das einzige der insgesamt sieben Bildungszentren der IG Metall, das ausschließlich für Jugendbildung vorgesehen ist. Viele junge Kolleginnen und Kollegen erleben ihre ersten Seminare der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit dort und verbinden die JuBi mit ihrem Einstieg in ein langjähriges gewerkschaftliches und politisches Engagement. Bei unserer Kampagne „politisch aktiv“ stellen wir JuBis die SDGs vor und zeigen mit unseren Angeboten Wege auf, bei der Verwirklichung der 17 Ziele der UN mitzumachen. Bei SDG 8 dreht sich alles um menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum und weil das Ziel die Kernthemen unserer JuBi Schliersee berührt, haben wir darüber mit Patrick Ziesel, dem Leiter des IG Metall Jugendbildungszentrums darüber gesprochen.
Patrick, was bedeutet Bildung für dich?
Im Allgemeinen ist Bildung ein Prozess, der uns ein Leben lang begleitet. Durch die Veränderungen im Arbeitsleben und in der Gesellschaft sind wir in gewisser Weise gezwungen, uns stetig Wissen anzueignen und uns weiterzubilden. Jedoch ist Bildung mehr als das reine Ansammeln von Informationen: Sie hilft uns unsere Persönlichkeit auszubilden, Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln und legt uns dar, wie wir uns aktiv in der Gesellschaft engagieren und persönlich wachsen können. Bildung mit und in einer Gruppe macht mir persönlich am meisten Spaß, denn durch das gemeinsame Lernen und das Austauschen von Erfahrungen ist der Lerneffekt am Größten.
Eure Ausrichtung ist unter dem Dach der Jugendbildungsstätten einzigartig. Welche Rolle spielt die Qualifizierung von betrieblichen Interessenvertretungen bei/für euch?
Die Qualifizierung von betrieblichen Interessenvertretungen spielt eine entscheidende Rolle. Sie ist die Grundlage, um die Interessen der jungen Beschäftigten aktiv wahren und vertreten zu können. Die Arbeit der betrieblichen Interessenvertretung ist vielseitig, dementsprechend muss auch das Qualifizierungsangebot auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sein. Gut ausgebildete Jugend- und Auszubildendenvertretungen kennen nicht nur ihre Rechte und Pflichten, sie sind in der Lage, betriebspolitische Entscheidungsprozesse beteiligungsorientiert mitzugestalten, kommunizieren effektiv mit ihrer Zielgruppe und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Ausbildungsqualität in Betrieb und Studium.
KI ist aktuell in aller Munde und klar ist, es wird die Arbeitswelt verändern. Spielt KI auch für die Bildungsarbeit eine Rolle, jetzt und in Zukunft?
Ja, künstliche Intelligenz (KI) spielt eine immer stärkere Rolle in der Bildungsarbeit und auch unsere Teilnehmenden werden in ihrer betrieblichen und privaten Realität zunehmend damit konfrontiert. Also haben uns auch wir dieser Entwicklung gestellt und geprüft, in wie weit die Anwendung von künstlicher Intelligenz in unseren Seminaren sinnvoll und förderlich ist – und letztlich ein Seminar zum Thema Künstliche Intelligenz mit ins Programm genommen. Die Integration von KI-Technologien in die Bildungsarbeit bringt verschiedene Möglichkeiten mit und kann sowohl den Teilnehmenden als auch den Referent:innen Vorteile bieten. Einerseits kann KI die Referent:innen bei der Planung von Seminaren durch die schnelle Informationsbeschaffung unterstützen. Andererseits ist es wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen, der die Stärken der KI nutzt, aber gleichzeitig die menschliche Interaktion, Kreativität und gemeinschaftliche Intelligenz in der Bildung bewahrt. Der Fokus sollte darauf liegen, wie KI am besten eingesetzt werden kann, um die Lernerfahrung zu bereichern und das Lern- und Bildungsziel zu erreichen.
Wo Du menschlich sagst – da sind wir schon bei unserer Kampagne politisch aktiv und dem SDG 8 das unter anderem „menschenwürdige Arbeit“ fordert.
SDG 8 fordert ein wirtschaftliches Wachstum, verbunden mit einer deutlich stärkeren Einbeziehung von Frauen in das Wirtschaftssystem. Ebenso fordert es die Abschaffung von Zwangs- und Kinderarbeit und erklärt menschenwürdige Arbeit für alle zum Ziel. Als IG Metall setzen wir uns jeher für gute Arbeits- und Lebensbedingungen ein. Aus unserer Sicht ist SDG 8 allerdings differenziert zu betrachten. Arbeitsbedingungen verbessern sich nicht automatisch durch Wirtschaftswachstum. Ebenso besteht ein großer Gestaltungsspielraum zwischen menschenwürdiger Arbeit und guter Arbeit. Um sich nicht mit dem Minimalziel der menschenwürdigen Arbeit zufrieden zu geben, braucht es eine starke Gewerkschaft und starke betriebliche Interessensvertretungen um diese in Betrieb und Gesellschaft zu gestalten.
Wie tragt ihr mit eurem Angebot zur Erreichung des Ziels bei?
Unser zweiwöchiges, gesellschaftspolitisches Seminar „Jugend zwischen Solidarität und Konkurrenz“ bildet eine Grundlage für eine vertiefte und kritische Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Gesellschaft. Wir analysieren das Handeln von Unternehmen, sowie die daraus resultierenden gesellschaftlichen Auswirkungen und Bedingungen für Mensch und Gesellschaft. Wir beschäftigen uns im Seminar mit der Rolle von Gewerkschaften als Gestaltungsmotor zur Gestaltung von guten, sozial-ökologischen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Durch das Erkennen von Handlungsmöglichkeiten empowert das Seminar sich aktiv für die Belange der abhängig Beschäftigten einzustehen.
Und beim Titel unserer Kampagne kommen wir auch an der aktuellen Situation nicht vorbei. In Deutschland und in Europa sind wir mit einer erstarkenden extremen Rechten in den Parlamenten und im Alltag konfrontiert, auch bei den Landtagswahlen in Bayern haben wir das gerade erst gesehen. Wie bewertest du diesen Rechtsruck und was denkst du, kann Bildungsarbeit dagegen (bzw. für die Stärkung der Demokratie) ausrichten?
Die Zunahme der extremen Rechten in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt ist erschreckend und beängstigend zugleich. Aber genau diese Entwicklung zeigt, dass wir mehr tun müssen als zuzusehen. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, diesen Rechtsruck zu bekämpfen und die Demokratie zu stärken. Bildungsarbeit fördert die kritische Denkfähigkeit und ist werteorientiert. Werte wie Solidarität, Toleranz, Meinungsfreiheit sind nicht nur gewerkschaftliche Werte, sondern entscheidend für eine funktionierende Demokratie. Deshalb müssen wir die politische Bildung der Gewerkschaften hochhalten und fördern. Bildungsarbeit allein wird nicht ausreichen, den Rechtsruck zu stoppen, jedoch können wir junge Menschen dabei unterstützen, eine demokratische Grundhaltung zu entwickeln und ihnen Wege aufzeigen, wie sie sich aktiv für eine offene Gesellschaft und ein demokratisches Miteinander einsetzen können.
Danke für Deine Einschätzung, Patrick! Und für das neue Bildungsjahr lohnt es sich wieder einmal sehr, im Programm des Jugendbildungszentrums zu stöbern. Ab 2024 greift die JuBi direkt die Beschlüsse der Jugendkonferenz aus 2023 auf und bietet ganz neu Seminare zu den Themen „Künstliche Intelligenz“ und „Mentale Gesundheit“ an. In einer super Lernumgebung – traumhafte Lage oberhalb des Schliersees, lichtdurchflutete Seminarräumen mit Alpenpanorama und ein neu gestaltetes Foyer mit großzügiger Kaffee- und Vitalecke – lässt es sich hervorragend tagen. Von den tollen Freizeitmöglichkeiten wie hauseigenen SUP`s, Sonnenterasse und Fitnessraum wollen wir jetzt mal gar nicht reden 😉 Bis bald am Schliersee!
Weitere Informationen
IG Metall Jugendbildungszentrum Schliersee
Unterleiten 28
83727 Schliersee
Telefon: 08026 9213-0
Website: www.igmetall-schliersee.de