Jugendbildungsstätten: Lern-, Bildungs- und Erfahrungsräume

  • Empirische Befunde

    In einer neuen Wirkungsstudie der Hans-Böckler-Stiftung – interviewt wurden Jugendliche und junge Erwachsene, die etwa fünf Jahre zuvor an Veranstaltungen der politischen Bildung teilgenommen haben – werden interessante Ergebnisse deutlich. Die Aussagen zeigen die Anregungen und Impulse, die Jugendliche und junge Erwachsene aus Veranstaltungen der politischen Bildung für ihre weitere Biografie mitgenommen haben. Neben vier angeborenen Lernertypen (Engagement, Vorrat, Blick auf die Welt und berufliche Orientierung) erinnern sich die Interviewten vor allem auch positiv und für sie bedeutsam an die Personen (PädagogInnen) und an die Jugendbildungsstättenals nahen oder auch fernen Lernort mit seinen Lerngelegenheiten und Inhalten, seinem Leben und seiner Atmosphäre, den Gleichaltrigen und erwachsenen PädagogInnen. Die bundesweite Studie bestätigt in der Erinnerung von ehemaligen TeilnehmerInnen die möglichen – hier vier – biografischen und orientierenden Bedeutungen von Jugendbildungsstätten bzw. vom Lernen in Jugendbildungsstätten (vgl. Balzer et al. 2014).

    Zwei Paradoxien

    Ich will auf zwei Spannungsbogen bzw. Paradoxien hinweisen, die konstruktiv zum Feld gehören, die man nicht auflösen, aber an denen man arbeiten kann. Sie müssen als produktive Herausforderungen aufgenommen und immer wieder neu bearbeitet werden; sie gelten für die pädagogischen Lernfelder insgesamt, insbesondere aber für solche, die auf Freiwilligkeit und Offenheit basieren. Das ist erstens dasSpannungsfeld von Seminar-Realität in der Jugendbildungsstätte und der Lebenswirklichkeit der TeilnehmerInnen; das sind zwei Welten, und ob Transferprozesse gelingen – das heißt Gelerntes umgesetzt wird, werden kann – bleibt immer ungewiss und den TeilnehmerInnen überlassen. Zweitens ist es – mikrodidaktisch – das Spannungsfeld von Vermittlung und Aneignung. Die Jugendbildungsstätten resp. Die MitarbeiterInnen haben ein Programm, wollen was vermitteln und haben ein Ziel; das ist deren Profession und Aufgabe. Das ist die eine Seite der Medaille, die andere Seite sind die Jugendlichen, die mit ihren Motiven, Interessen und Gefühlen kommen. Ob und wie diese sich das Vermittelte aneignen, was sie lernen und welche Aneignungsstrategien sie haben, das bleibt ihnen überlassen. Hier gibt es Erfahrungen, die von gelingenden Seminaren und „Sternstunden der Pädagogik“ (die sich im Selber- und Mitmachen zeigen) bis hin zu weniger gelungenen, schwierigen Seminarverläufen und auch Verweigerungshaltungen reichen.

  • Problematische Entwicklungen

    Jugendbildungsstätten sind Teil von und eingebunden in die Tendenzen und Entscheidungen der jeweiligen Bildungs- und Jugendhilfepolitik, sie sind ein kleines Segment in der Bildungslandschaft/-politik, ob in öffentlicher oder freier Trägerschaft. Sie müssen immer wieder um ihre Existenz kämpfen, sich rechtfertigen und sind – wie andere Träger und Einrichtungen der Jugendhilfe/-arbeit – mit folgenden hier stichwortartig genannten Entwicklungen und Herausforderungen konfrontiert:

    • sie unterliegen den finanzpolitischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen (Sparpolitik),
    • die Förderungspolitik und Träger setzen andere bzw. verändern Schwerpunkte,
    • Ökonomisierungs- und Verrechtlichungstendenzen, die anderen Bereichen entlehnt werden, (betriebswirtschaftliches Denken),
    • kurzschlüssige und funktionale (d.h. falsche) Vorstellungen von Lernen, Bildung und Erfahrungsverarbeitung,
    • Lediglich „Feuerwehrfunktion“ für bestimmte Zielgruppen und Probleme.

    Fazit

    Gegenüber solchen Entwicklungen und Tendenzen brauchen – vor dem Hintergrund der skizzierten Bedeutungen – Jugendbildungsstätten vor allem: finanzielle Gewissheit und Planungssicherheit; politischen Rückenwind; Freiräume für Neues, für experimentelles und innovatives Arbeiten. Jugendbildungsstätten sind ein kleines, aber bedeutendes Lernfeld einer demokratischen Gesellschaft, weil hier in der Generationenfolge immer wieder neu Akteure qualifiziert und (aus)gebildet werden, die Träger von Demokratie sind und werden.

  • Literatur:

    Balzter, N., Ristau, Y., Schröder, A. (2014): Wie politische Bildung wirkt. Wirkungsstudie zur biografischen Nachhaltigkeit politischer Jugendbildung. Wochenschau-Verlag, Schwalbach/TS.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Benno Hafeneger
    Philips-Universität Marburg
    Institut für Erziehungswissenschaft
    Wilhelm-Röpke-Str. 6b
    35032 Marburg
    Benno.hafeneger@staff.uni-marburg.de

     

    Der vorliegende Artikel ist erschienen in: unsere Jugend, Heft 4 / 2015, 67. Jg, S. 176-180. Die vorliegende Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. Alle Fotos: (c) Jugendbildungsstätten Bayern.