Auslands-Freiwilligendienst in Krisenzeiten

Rückholaktion aus den Einsatzländern erfolgreich abgeschlossen

Seit die Bayerische Staatsregierung den Unterrichtsbetrieb an den Schulen bis zum Ende der Osterferien eingestellt hat, ist es auch an den Einrichtungen der außerschulischen Jugendbildung sehr still geworden: keine Schulklassen, die sich und ihre Gemeinschaft bei Orientierungstagen besser kennen lernen, keine Musikgruppen, die mit ihren Instrumenten das Haus zum Klingen bringen, keine Jugendleiter_innen, die sich bei Fortbildungen fit für den pädagogischen Alltag der Jugendarbeit machen… Alle Jugendbildungsstätten haben ihren Betrieb in dieser Zeit ohne Belegung heruntergefahren und ohne die Kinder und Jugendlichen, dem Herz unserer Arbeit, ist auch unser Pulsschlag langsamer als sonst.

Es gibt jedoch einige Mitarbeiter*innen, für die gilt genau das Gegenteil, wie für Francesco und Niklas vom Aktionszentrum Benediktbeuern. Arbeitsschwerpunkt der beiden ist die Internationale Jugendarbeit und die aktuelle Situation im Zusammenhang mit dem Coronavirus hat quasi alles auf den Kopf gestellt: Das Aktionszentrum Benediktbeuern ist Entsendestelle für den Freiwilligendienst weltwärts, bei dem junge Erwachsene unter anderem in Südosteuropa, Westafrika oder Südamerika in verschiedenen Einsatzprojekten benachteiligte Kinder und Jugendliche in ihrem Lebensalltag begleiten und sie fördern. Insgesamt 25 junge Menschen sind nach einer umfangreichen Vorbereitung in Benediktbeuern seit vergangenem Herbst in Einrichtungen der Salesianer Don Boscos im Kosovo, in Montenegro, Indien, Argentinien, Bolivien und Benin tätig. Durch das neuartige Coronavirus gibt es nicht nur hier in Deutschland verschiedene Beschränkungen, sondern in nahezu allen Ländern weltweit. Oft werden dort ohne Vorwarnung Reisewarnungen, Einreise- und Quarantänevorschriften erlassen, teilweise werden die Reisenden sogar an der Weiter- oder Rückreise gehindert. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hat dann in Absprache mit dem Auswärtigen Amt am 16. März entschieden, sicherheitshalber alle im Ausland befindlichen Bundesbürger zurückzuholen – darunter natürlich auch alle Freiwilligen. Seitdem haben Francesco und Niklas einen 24-Stunden-Tag. Wir haben mit Francesco ein Telefoninterview geführt und nachgefragt, welche Herausforderungen so eine umfangreiche Rückholaktion mit sich bringt und vor allem wie viele Freiwillige schon wieder hier in Deutschland gelandet sind.

Jahrgangsfoto der diesjähringen Auslandsfreiwilligen in Benediktbeuern

Francesco, wie sieht Euer Tag derzeit aus?

Niklas und ich sind gerade rund um die Uhr beschäftigt und das wortwörtlich, Durch die Zeitverschiebung in den Ländern, wo sich die Freiwilligen aufhalten, kann auch nachts ein wichtiger Anruf kommen. Vor kurzem habe ich zum Beispiel einige unserer Volunteers live in Boivien eingecheckt – das war auch zu einer Uhrzeit, zu der ich normalerweise nicht arbeite. Wir legen das Handy eigentlich gar nicht mehr aus der Hand, auch wenn ich joggen gehe, habe ich es immer dabei.

Was sind Eure Hauptaufgaben gerade?

Zunächst alles, was mit unmittelbar mit der Rückholaktion unserer Freiwilligen zusammenhängt. Wir kümmern uns um die Organisation und Buchung der Flüge und stehen in ständigem Austausch mit unseren Freiwilligen. Außerdem halten wir  Kontakt mit den Botschaften in den jeweiligen Ländern oder dem Auswärtigen Amt, dann mit den Trägerstrukturen vor Ort und nicht zu vergessen den Eltern, denn verständlicherweise ist auch denen sehr daran gelegen, auf dem Laufenden zu bleiben.

Was sind die Herausforderungen, mit denen ihr dabei zu tun habt?

Die größte Herausforderung ist die Ungewissheit. Man weiß nie, wie und vor allem wie schnell sich die Situation verändert, ob der Flug, den man gebucht hat, auch tatsächlich geht oder ob er doch noch im letzten Moment storniert wird. Und bei diesen sich manchmal überschlagenden Entwicklungen den Überblick und alle beteiligten Akteure im Blick zu behalten, ist gar nicht so einfach. Und manchmal kommt man außerdem im Homeoffice logistisch an seine Grenzen: Man kann nicht wie üblich einfach schnell zu den Kolleg*innen ins Büro gehen, um etwas zu klären oder eine Zahlung freigeben zu lassen. Das führte dazu, dass wir auch mal privat in Vorleistung gegangen sind, wenn es schnell gehen musste.

Was findet ihr dabei besonders hilfreich?

Beruhigend ist, dass wir die Erfahrung gemacht haben, dass unsere Netzwerke auch in Krisenzeiten tragen. Wir haben die Freiwilligen aus ihren Projektstandorten in die Salesianischen Einrichtungen geholt, wo sie näher an den Flughäfen dran sind und sich jederzeit schnell für eine Abreise fertig machen können. Es ist gut, sie dort immer in Sicherheit zu wissen. Und dass ich mit Niklas einen Kollegen an der Seite habe, mit dem ich mich absprechen kann, hilft natürlich sehr – auch wenn tatsächlich all unsere Besprechungen virtuell und digital ablaufen, weil Niklas sich zusätzlich nach einem Urlaub vorsichtshalber in Selbstquarantäne begeben hatte.

Wie geht es weiter, wenn alle Freiwilligen zurück in Deutschland sind?

Dann folgt Teil zwei unserer Aufgabe. Wenn alle sicher nach Hause gekommen sind, kümmern wir uns darum, wie wir die vorzeitigen Rückkehrer unterstützen können, um den abrupten Aufbruch aus ihren Einsatzländern etwas abzufedern. Schließlich wurden sie mitten aus ihrem weltwärts-Programm herausgerissen und müssen sich nun in einer völlig neuen Situation zurechtfinden; vorher waren sie in ihre Projekte eingebunden, wurden gebraucht und jetzt kommen sie zurück und sie können wegen der Ausgangsbeschränkungen kaum etwas machen. Bisher stehen wir mit den Freiwilligen zum Beispiel über whatsapp täglich in Kontakt und wenn es wieder möglich ist, werden wir Seminare abhalten und sie an unseren Standorten in Projekte einbinden. Das Positive ist, dass sie alle ihren Freiwilligenstatus behalten können und auch weiter im weltwärts-Programm bleiben dürfen, selbst wenn sie wieder zurück in Deutschland sind. Zusammenfassend geht es im Wesentlichen um drei Punkte: wir wollen den Rückkehrern eine Perspektive bieten, ihr Engagement weiterführen und die Gemeinschaft pflegen.

Was war deine persönlich wertvollste Erfahrung in diesem ganzen Prozess?

Am schönsten fand ich die tolle gegenseitige Hilfe und Unterstützung der Freiwilligen untereinander. Diejenigen, die schon in Deutschland waren haben ihre Kolleg*innen, die noch auf ihre Flüge warteten, jeden Tag mit Aktionen, Bildern und kleinen Videos unterstützt, auch die Eltern waren beteiligt. Es war und ist ein großer Zusammenhalt spürbar – vielleicht ist es das, was wir an Positivem aus dieser Krise mitnehmen können.

Nachtrag: Update vom 5.4.2020

Nachdem vor zwei Tagen 3 Volunteers zurückgekommen sind, sind heute die letzten 3 Freiwilligen aus Argentinien sicher in Deutschland gelandet – die Rückholaktion ist also erfolgreich abgeschlossen! Wir werden die Freiwilligen weiter begleiten und in ein paar Wochen weiter berichten, wie sich ihre Situation entwickelt.

Informationen

Francesco Bagiolini | Internationale Jugendarbeit und Freiwilligendienste
Aktionszentrum Benediktbeuern
E-Mail an Francesco Bagiolini