Neukirchen: Diakon und Leiter Peter Dienst verlässt die Jugendbildungsstätte

Hier lesen Sie die Abschiedsworte von Peter Dienst unter dem Motto „Alles hat seine Zeit“

peter-dienstSehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Jugendbildungsstätte Neukirchen,

alles hat seine Zeit. Meine Zeit als Leitung der Evangelischen Jugendbildungsstätte Neukirchen geht zum 30.11.2014 zu Ende. Ausschlaggebend dafür sind ganz persönliche private Gründe, die es notwendig machen bei und mit meiner Familie zu leben. Die Arbeit in der Jugendbildungsstätte geht aber weiter!

Vor genau 40 Jahren wurde die Jugendbildungsstätte Neukirchen geplant und der Grundstein gelegt. 1976 wurde sie dann eingeweiht mit dem Bibelspruch „wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“. Nun, jede Zeit hat auch seine Leitbilder. Vor 40 Jahren war die Hochzeit der Jugendarbeit. Jugendverbände und hier in Coburg vor allem auch die Evangelische Jugendarbeit war in jeder Gemeinde vertreten. Es brauchte Bildungsstätten für Fort- und Weiterbildung, Begegnung und Entwicklung. Und dafür wurde die Evangelische Jugendbildungsstätte Neukirchen vom Bayerischen Jugendring mit der Evangelischen Jugend auf den Weg gebracht. Hier in Coburg übernahm der Evangelische Dekanatsbezirk als Rechtsträger vor Ort Verantwortung. Jugendarbeit war auch politische Bildungsarbeit. Und dafür war der Platz an der ehemaligen Grenze gut geeignet. Heute herrscht das Diktat der Ökonomie. Dieser Leitsatz, der 1976 von den Gründervätern (es waren in der Regel Männer) in den Grundstein gemeißelt wurde, hätte heute vermutlich keinen Platz gefunden. „Wirtschaftlich nicht abbildbar“, wäre wohl das Argument dagegen.

Außerschulische Jugendbildung war schwer angesagt und es war klar, außerschulische Jugendarbeit bildet Persönlichkeiten und für das Leben. Heute steht der „Homo Oekonomicus“ der optimierte Mensch im Mittelpunkt der Bildung. G 8 lässt grüßen. Aber wir wissen auch – und das nicht erst seit die Entwicklungspsychologie es nachgewiesen und geordnet hat – das Kinder grundsätzlich wissbegierig sind und ganz automatisch lernen wollen. Sie lernen laufen, sprechen, eigene Interessen zu vertreten und dies von Geburt an. Die Europäische Union hat in der Neuordnung ihrer Bildungsmaxime festgestellt, dass außerschulische Jugendbildung eines der wichtigsten Bildungsinstrumente ist, um den Krisen unserer modernen Zeit wirkungsvoll entgegenzutreten. Leider ist es ihnen bisher nicht gelungen dies so umzusetzen, dass diese Erkenntnisse auch in unkomplizierte und effektive Förderstrukturen münden. Europäische Förderanträge sind ohne spezielles Fachwissen und entsprechenden Zeiteinsatz nicht wirklich sinnstiftend umsetzbar. Die Landwirte wissen wovon ich rede.
Die Evangelische Jugendbildungsstätte Neukirchen ist auf einem guten Weg.

Bis zum 40 jährigen Jubiläum 2016 soll eine Grundsanierung und Modernisierung durchgeführt sein. Die Grundlagen dazu sind gelegt. Das Haus muss den modernen Anforderungen an Fort- und Weiterbildung gerecht werden. Kleinere differenziertere Gruppen, mehr Tagungsräume und ein Bildungskonzept, das sich um die Fragen der Zukunft kümmert. Damit ist die Jugendbildungsstätte auch ein wesentlicher Bestandteil der regionalen Bildungslandschaft und Teil der Regionalentwicklung. In dem Projekt Rückenwind zusammen mit den Wirtschaftsjunioren Coburg, an dem Projekt Arche 2020, dem Projekt Stark! und auch an dem Projekt Werkhaus Z(ukunft) wird diese Entwicklung sichtbar. Gesunde Ernährung, Bewegung und vor allem auch Partizipation sind Grundlagen um das Menschenrecht auf Bildung und gesunde Entwicklung zeitgemäß umzusetzen. Inklusion und Integration sind selbstverständlicher Bestandteil und Zeichen einer sich weiterentwickelnden Gesellschaft die mit Diversität und Interkulturalität umgehen muss.

Deswegen ist Jugendbildungsarbeit auch immer an den Menschenrechten ausgerichtet. Gerade auch die Evangelische Jugendarbeit hat hierin eine starke Tradition. Und, ja! … wir sind Evangelisch! Und das im besten Sinne. Denn Volksbildung war eines der großen Verdienste Martin Luthers. Und da bediente er sich ganz fortschrittlich der modernen Errungenschaft des Buchdruckes. Ohne diese Form des modernen“ Marketings“ wären wohl die 95 Thesen nie in dieser Form verbreitet worden. „Bildung für alle“ und damit Mündigkeit und Selbstbestimmung in Verantwortung vor Gott und den Menschen, ist Teil der Evangelischen Kultur und Tradition und schlägt sich in den verschiedenen Formen Evangelischer Arbeit in Kirche und Diakonie wieder. Heute müsste es wohl präziser „vor Gott und der Schöpfung“ lauten. In der Zeit der Postwachstumsgesellschaft stellen sich wieder neu die grundsätzlichen Wertefragen. Woran soll ich glauben? Was bedeutet ein gutes Leben, angesichts der Entwicklungen weltweit? Wie ist die Frage nach Frieden und Gerechtigkeit in der globalen Welt verortet? Was können wir uns noch leisten und wo müssen wir umsteuern oder gar verzichten? Das sind die wirklichen Zukunftsfragen angesichts der Klimakatastrophen die sich ja bereits für alle spürbar ankündigen. Die christliche Ethik nennt uns drei Grundtugenden: Glaube, Liebe und Hoffnung, diese drei! Ich finde diese Tugenden hochaktuell und die ernsthafte Suche nach ihnen einen Schlüssel für eine lebendige funktionierende Gesellschaft, die ohne Zweifel durch mehr Diversität gekennzeichnet sein wird.

Die Evangelische Jugendbildungsstätte ist ein Bildungsort vor allem der der nonformalen Bildung. Hier können Kinder- und Jugendliche sich zusammen mit Erwachsenen all diesen Fragen des Glaubens und Lebens widmen. Es bleibt auch ihrer persönlichen Kreativität überlassen, wie sie unsere Jugendbildungsstätte in Zukunft nutzen möchten. Sie ist jedenfalls ein guter Ort. Ein Lernort der Begegnung auf Augenhöhe. Ein Ort an dem Platz und Raum für junge Menschen und ihre Fragen ist. Und wo sind solche (Frei-)Räume denn noch gegeben?

Nutzen Sie unsere Jugendbildungsstätte weiter! Fragen sie uns, wenn sie eine Idee haben. Beteiligen sie sich an der Entwicklung und stützen sie die Evangelische Jugendbildungs-stätte Neukirchen. Denn unsere Arbeit ist zuvorderst eine Kulturleistung unserer Gesellschaft und keine Dienstleistung auf dem Markt der (scheinbaren) Möglichkeiten!
In diesem Sinne werde ich mich am 30.11. um 16.00 Uhr mit einem Gottesdienst und einem Zusammentreffen in der Jugendbildungsstätte Neukirchen verabschieden. Und sollten Sie mir noch etwas Gutes tun wollen, dann spenden sie eine Kleinigkeit für die Arche 2020. Denn diese Arbeit liegt mir besonders am Herzen!
Gott befohlen und mit herzlichen Grüßen

Peter Dienst, Diakon
Dipl.Soz.Päd (FH)
Leiter und Jugendbildungsreferent