Jugendbildungsstätten: Lern-, Bildungs- und Erfahrungsräume

Gastbeitrag von Prof. Dr. Benno Hafeneger. Professor an der Philips-Universität Marburg. Forschung zu Jugendbildung und Jugendarbeit, zu rechtsrextremen Orientierungen der jungen Generation

Jugendbildungsstätten sind besondere, originelle und eigensinnige Lern- Bildungs- und Erfahrungsorte für Jugendliche und junge Erwachsene. Sie werden mit einem diagnostischen Blick in den aktuellen gesellschaftlichen Problemhaushalt, in die vielfältigen – globalen, nationaler und regionalen – Krisenentwicklungen sowie die vielschichten und komplexen Entwicklungsaufgaben (Herausforderungen, Übergänge und Krisen) und der Orientierungs- und Zugehörigkeitssuche der jungen Generation als demokratische, soziale und kulturelle Lernorte mehr denn je gebraucht.

Historischer Nachweis

Jugendbildungsstätten haben eine lange Tradition, und es gibt sie in unterschiedlicher Form und Trägerschaft schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts – in der Wilhelminischen Zeit, der Weimarer Republik und der Geschichte der Bundesrepublik. Vor allem in der neueren Geschichte haben sie seit 1945 in der Demokratieentwicklung und –Erziehung (u.a. in der US-amerikanischen Reeducationpolitik bis Anfang der 1950er Jahre) einen wichtigen Stellenwert; sie wurden neben der Schule und Jugendarbeit u.a. als eigene Orte des Lernens und Einübens von Demokratie begründet und gewürdigt. Hier haben sich Jugendliche und junge Erwachsene immer wieder in der Generationenfolge gebildet und demokratische, soziale und kulturelle Lernerfahrungen gemacht. Jugendbildungsstätten wurden zu Trägern von demokratischer Kultur und Zivilgesellschaft; viele TeilnehmerInnen haben hier und in der Jugend(verbands)arbeit prägende Erfahrungen gemacht und sind dann Träger von Politik (in Parteien und Parlamenten) und Zivilgesellschaft (in Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften u.a.) geworden. Jugendbildungsstätten waren (und sind) ein Laboratorium der lebendigen Demokratie, des sozialen und kulturellen Lebens und Lernens.

Elemente – Merkmale

  • Zu den wichtigsten – hier stichwortartig skizzierten – strukturellen und normativen Elementen bzw. Merkmalen von Jugendbildungsstätten gehören erstens:

    • Trägerpluralismus,
    • Freiwilligkeit der Teilnahme,
    • Professionalität,
    • ein breites Spektrum von Themen und Ansätzen, Formaten und Settings, Methoden und Medien, Kooperationen und Vernetzung,
    • experimentelle und innovative Gelegenheiten und Formate.

    Dann gibt es zweitens bei allen Differenzierungen ein gemeinsames normatives Verständnis mit Begründungen wie:

    • partizipative Demokratie,
    • Emanzipation und Mündigkeit,
    • Partizipation und Teilhabe,
    • Subjektentwicklung,
    • Aufklärung und Kritikfähigkeit,
    • Handlungsfähigkeit

    Eigener Lern- und Bildungsort

    Mit den systematischen und wiederholt begründeten Unterscheidungen von formaler, non-formaler, informeller und En-passant-Bildung mit den entsprechenden Lernwelten/-orten haben auch die Jugendbildungsstätten (wie die Jugendverbände und Offene Jugendarbeit) ihre ausgewiesene Fundierung und Platzierung. Sie sind Gelegenheiten, Orte und Zeiten der non-formalen (und auch informellen)Bildung mit spezifischen, ein- und mehrtägigen Angeboten und Settings (Lehrgängen, Seminaren, Werkstätten, Tagungen, Workshops, internationalen Begegnungen, Besuch von Gedenkstätten und Museen u.v.a.) und mit einem offenen Curriculum, das an den Interessen der TeilnehmerInnen orientiert ist. Die Lern-, Bildungs- und Erfahrungsqualität unterscheidet sich – das wird im Folgenden skizziert – von Schule (als formalem Ort), dem Lernen in Familie, mit den Medien, in den Peers und Jugendkulturen (als informelle Lernorte).

Acht „gute Gründe“

Es gibt viele „gute Gründe“ für Jugendbildungsstätten, einige will ich hervorheben – sie machen meines Erachtens ihre besondere Bedeutung aus und machen sie mit der Jugendarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene zu einem unverwechselbaren Feld von Lernen, Bildung und Erfahrung.

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